Warum Makrodaten betrachten?

Die Makroökonomie lebt noch stärker als andere Disziplinen von Daten. Besonders interessant ist, dass makroökonomische Daten nicht nur Volkswirte betreffen und interessieren, sondern praktisch alle Personen eines Staates. Denken Sie daran, wie oft man von Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit, Inflation usw. in den Medien hört.
Die Disziplin innerhalb der VWL, die sich mit der Sammlung und Ausarbeitung dieser Daten beschäftigt, ist die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR). Möglicherweise wichtiger als die Kenntnis der Wirtschaftstheorien, ist das tiefe Verständnis der einzelnen Kennzahlen der VGR. Wie bereits angedeutet ist die Kenntnis der Wirtschaftstheorien vor allem für Ökonomen wichtig, das Verständnis von Wirtschaftskennzahlen ist für jeden wichtig. Alleine dies sollte Ihnen die Wichtigkeit dieses Themas andeuten.
Die wichtigsten Kennzahlen der VGR werden wir daher nun im Hinblick auf Definition und historische Entwicklung betrachten

Das Sozialprodukt

Die wohl bekannteste Kennzahl der VGR ist das Bruttosozialprodukt (BIP). Definiert ist das BIP als Summe aller Güter und Dienstleistungen, die während eines Jahres im Inland produziert und an die Endnachfrage ausgeliefert werden. Es ist der heute weltweit gültige Indikator für wirtschaftliche Aktivität. Das BIP kann auf drei Arten gemessen werden:

Alle drei sollten das gleiche Ergebnis liefern, normalerweise wird das BIP aber anhand der Entstehungsrechnung gemessen, da hier die Daten am besten zugänglich sind.

Das BIP ist hierbei nur das bekannteste Sozialprodukt, das berechnet wird. Damit verbunden sind nämlich viele Kennzahlen, die man auch immer wieder hört:

header Kennzahl
= Bruttoinlandsprodukt (=Bruttoszialprodukt)
- - EK von Ausländern im Inland
+ + EK von Inländern im Ausland
= Bruttonationalprodukt
- - Abschreibungen
= Nettonationaleinkommen (=Primäreinkommen)
- - Indirekte Steuern
+ + Subventionen
= Volkseinkommen (Nettonationaleinkommen)
- - Direkte Steuern (inkl Sozialversicherung)
+ + Transferleistungen des Staates
= Verfügbares EK der Haushalte

Die Komponenten des BIP

Die Betrachtung der vier großen Ausgabenkomponenten der VGR bringt Einsicht darin, wie sich das BIP zusammensetzt (=Verwendungsrechnung):

  • Privater Konsum (C): Ausgaben der privaten Haushalten für Güter und Dienstleistungen (dauerhaft vs. nicht-dauerhaft)
  • Investitionen (I): Ausgaben der Unternehmen für Produktionsgüter aller Art, also Maschinen, Fabriken, aber auch Wohnungen. Kurz- und langfristige Investitionen sind beide berücksichtigt. Lagerinvestitionen sind ebenso enthalten. Bei Lagerinvestitionen handelt es sich um Konsumgüter, die nicht verkauft werden können und somit auf Lager gelegt werden.
  • Öffentlicher Konsum (Staatsausgaben) (G): Güter und Dienstleistungen, die vom Staat zur Verfügung gestellt werden. Das umfasst z.B. das Bildungswesen, die Krankenversorgung, die Hoheitsverwaltung (Polizei, Bundesheer). Man nimmt hierbei an, dass der Staat Dienstleistungen und Güter ankauft und diese an die Bevölkerung gratis weitergibt. Transferleistungen wie Pensionen, Karenzgeld usw. zählen nicht zum öffentlichen Konsum, da es sich hierbei nur um eine Umverteilung von bestehenden Einkommen handelt und nicht um eine Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen handelt. Auch Zinszahlungen der Staatsschuld zählen nicht zum öffentlichen Konsum, da es nur eine Umverteilung bewirkt: Kreditgeber erhalten Einkommen, der Staat verliert Einkommen.
  • Außenhandel: Exporte (Ex), Importe (Im): Exporte sind die Auslandsnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Das heißt der Tourismus in Österreich zählt zum Export. Umgekehrt ist die Nachfrage nach ausländischen Produkten Import, ebenso wie der Urlaub von Inländern im Ausland.

Insgesamt setzt sich das BIP (Y) somit wie folgt zusammen:

\[ Y = C + I + G + Ex + Im \]

Nominales BIP ausgewählter Länder:

BIP USA
BIP EU

Nominelle Größe und reale Größen

Direkt messen können wir an den Preisen nur nominelle Größen. Dabei entsteht allerdings das Problem, dass die Preise sich im Zeitablauf aufgrund von Geldentwertung ändern können. Konkret: Wenn die Preise aller Güter um 5% steigen, dann steigt auch das BIP um 5%. Dies heißt aber nicht, dass der Wohlstand gestiegen ist, sondern lediglich, dass eine Inflation von 5% zu beobachten war. Daher ist es - bei Vergleichen im Längsschnitt, also im Zeitablauf - besser man betrachtet reale Größen. Dafür muss man die Inflation, also die reine Preissteigerung ohne Wohlstandsgewinnen, herausgerechnet werden.
Für die Berücksichtigung von realen Größen benötigt man ein Referenzjahr, also einen Zeitpunkt zu dem die Preise mit 100% (1) in die Berechnung eingehen. Im Vergleich zu diesem Jahr wird dann die Inflation mittels BIP-Deflator berücksichtigt. Das Referenzjahr kann hierbei frei gewählt werden (“zu Preisen von Jahr XXXX”). Der BIP-Deflator zeigt dann die Preise im Vergleich zum Referenzjahr.
Das reale BIP kann dann wie folgt berechnet werden:

\[ reales BIP = \frac{nom BIP}{BIP-Deflator}\]

Reales BIP ausgewählter Länder

reales BIP USA
reales BIP Österreich
reales BIP EU28

Beachten Sie, dass hierbei die Güter und Dienstleistungen zu den Preisen eines bestimmten Jahres - des Referenzjahres - betrachtet und man so tut als hätten sich die Preise seither nicht verändert. Das hat den Vorteil, dass man tatsächliche Mengenänderungen betrachtet und nicht solche, die lediglich durch Inflation, also Geldentwertung, zustande gekommen sind. Reale BIP-Werte hängen daher aber vom Referenzjahr ab und ändern sich mit der Änderung des Referenzjahres. Man betrachtet daher das BIP häufig in nominellen Werten, das BIP-Wachstum hingegen häufig in realen Werten. Das reale Wirtschaftswachstum ist wohl die wichtigste Kennzahl im Zusammenhang mit der VGR und wird berechnet durch:

\[ \frac{realesBIP_t - realesBIP_{t-1}}{realesBIP_{t-1}} - 100\]

Reales BIP-Wachstum ausgewählter Länder

reales BIP-Wachstum USA
reales BIP-Wachstum EU

Arbeitslosenrate

Die Arbeitslosenrate \((u)\) ist definiert als: Die Anzahl der Arbeitslosen dividiert durch die Anzahl der Beschäftigten plus den Arbeitslosen (= die unselbstständige, arbeitsfähige Bevölkerung).

\[ u = \frac{Arbeitslose}{Beschäftigte + Arbeitslose} \]

So weit, so einfach. In der Detailbetrachtung kann die Arbeitslosigkeit durch verschiedene Methoden aber geschönt werden.
So gibt es eine sogenannte EU-Definition (die Methode nach der innerhablb der Staatengemeinschaft zur Vergleichbarkeit einheitlich die Arbeitslosigkeit berechnet wird). Nach dieser Methdoden ist arbeitslso wer
* keine Arbeit hat, also nicht einmal eine Stunde pro Woche angestellt ist
* aktiv nach Arbeit sucht
Im Nenner werden nach EU-Methode außerdem die selbstständig Beschäftigten hinzugezählt.
Bei der sogenannten tradiotionellen Methode werden als Arbeitslose alle beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldeten gezählt. Im Nenner befinden sich nur die unselbstständig Beschäftigten und Arbeitslosen.
Dies führt dazu, dass die Arbeitslosigkeit nachh nationaler Definition meist wesentlich höher ist, als nach neuerer EU-Methode.

Lohnquote

Die Einkommmensverteilung ist eine jener Kennzahlen, die von Ökonomen schon seit jeher untersucht werden. Insbesondere ging es historisch darum den Anteil am Gesamteinkommen \((Y)\) am BIP von Unternehmen und Arbeitnehmern zu berechnen. Hierbei wird die Lohnquote definiert als: Anteil der Löhne und Gehälter am BIP (oder Volkseinkommen).

\[ Lohnquote = \frac{Lohnsumme}{Volkseinkommen} \]

Eins minus der Lohnquote ergibt im Gegensatz dazu die Kapitalquote. Insgesamt ist die Lohnquote ein Maß für den Grad der Umverteilung, in Form der funktionalen Einkommensverteilung, in einer Volkswirtschaft. In den letzten Jahrzehnten hat die funktionale Einkommensverteilung etwas an Bedeutung verloren, da die Grenzen zwischen selbständigen und unselbständigen Einkommen zunehmend verschwimmen. Stattdessen wird als Maß für die Einkommensverteilung zunehmend die personelle Einkommensverteilung herangezogen. Hierbei wird unabhängig von der Quelle der Einkommen betrachtet, welcher Anteil des Volkseinkommens von einem bestimmten Anteil der Bevölkerung (z.B. dem obersten Prozent) bezogen wird.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Einkommen recht ausgeglichen verteilt waren. Seit den 1980er Jahren steigt die Einkommenskonzentration wieder an.

Lohnquoten ausgewählter Länder

Lohnquote USA

Außenhandelsquoten

Geben den Anteil der Importe/Exporte am BIP an.

\[ Exportquote = \frac{Exporte}{BIP} \]

In kleinen, offenen Volkswirtschaften ist dieser Anteil hoch mit, meist über 40%. Insgesamt sind langfristig ausgeglichene Import- und Exportquoten erstrebenswert. Bei einem starken Überhang von Exporten (Importen) führt dies zu einem Aufwertungs- (Abwertungs-) druck auf die heimische Währung.

Export und Importquoten ausgewählter Länder

Exportquote USA
Importquote USA
Exportquote Österreich
Importquote Österreich

Staatsquote

Der Anteil der Staatsquote (Ausgabenquote) bzw. der Staatseinnahmen (Abgabenquote) am BIP. Sie zeigt wie hoch der Anteil der staatlichen Tätigkeit am gesamten BIP ist. In Österreich ist dieser Antei mit fast 50% ungewöhnlich hoch. Sowohl im internationalen Vergleich, als auch in historischer Hinsicht.

Verschuldungsquote

Anteil der öffentlichen Verschuldung am BIP.

\[ Verschuldungsquote = \frac{öffentlicheVerschuldung}{BIP} \]

Sie ist eine der wichtigsten Kennzahlen, wenn es um die langfristige Entwicklung eines Staates geht. Dei Verschuldungsquote zeigt die Gesamtverschuldung des Staates und ist daher nicht zu Verwechseln mit dem Staatsdefizit. Die Verschuldungsquote bestimmt den zukünftigen Spielraum für staatliche Investitionen. Von der Verschuldungsquote (in Verbindung mit dem Zinssatz) hängt nämlich der zukünftige Schuldendienst des Staates ab. Während in den 1960er bis in die 1980er Jahre hinein die Verschuldungsquote zugunsten einer niedrigeren Arbeitslosenrate vernachlässigt wurde, bemüht man sich seither um eine sinkende Staatsverschuldung.

Defizit

Von der Staatsverschuldung abzugrenzen, obwohl direkt damit verbunden, ist das Budgetdefizit. Es ist definiert als Staatsausgaben abzüglich den Staatseinnahmen.
Ein weiterer Begriff ist das Nettodefizit: Die Staatsausgaben ohne der Schuldentilgung - den Staatseinnahmen. Dies entspricht der Neuverschuldung.
Die Defizitquote, oftmals schlicht als Defizit bezeichnet, ist definiert als Verhältnis aus Nettodefizit zum BIP.

\[ Defizitquote = \frac{Nettodefizit}{BIP} \]

Die öffentliche Verschuldung steigt übrigens nur, wenn das Nettodefizit höher ist als das nominelle BIP-Wachstum. Bei einem Nettodefizit von null sinkt die Verschuldungsquote daher meist. Das Primärdefizit ist das Nettodefizit abzüglich der Zinszahlungen (für die Staatsverschuldung). Angestrebt wird in einem Staat häufig ein Primärüberschuss, also eine positiver Haushalt, wenn die Zinszahlungen außer acht gelassen werden. Bis vor der Krise 2008 ist dies regelmäßig auch gelungen, wodurch sich die Verschuldungsquote trotz positiver Defizitquote gesunken ist. Wichtig hierbei ist auch, dass der Realzins geringer ist als die reale Wachstumsrate.
Ein weiterer “künstlicher” Begriff ist das strukturelle Defizit: Dies ist das Nettodefizit, bereinigt um den Konjunkturzyklus. Dabei wird berücksichtigt, dass bei Rezessionen das Defizit aufgrund der schwächeren Konjunkturentwicklung steigt. Der Stabilitätspakt der EU (Maastricht) bezieht sich größtenteils auf das strukturelle Defizit.

Defizitquote ausgewählter Länder

Defizit USA