1 Zusammenfassung

Dieses Whitepaper zeigt anhand offizieller Statistiken, dass Frauen in der deutschen Medizin strukturell benachteiligt werden – trotz annäherndem 50 %-Anteil unter den berufstätigen Ärzt:innen. Wir untermauern dies mit Korrelationen, Regressionsanalysen, Chi²-Tests und Konfidenzintervallen – vollständig offline aus vorbereiteten Daten.

2 Executive Summary

  • Die Simulation der Einkommensverteilung beruht auf Destatis-Medianwerten für das Jahr 2023; daraus ergibt sich ein Gender Pay Gap von ca. 8% bezogen auf den Medianverdienst von Ärztinnen und Ärzten. Aggregierte Branchenstudien und internationale Umfragen (Medscape, WSI Genderdatenreport) weisen jedoch für Ärzt:innen in Deutschland einen Gender Pay Gap von 21% aus.1

  • Teilzeitstrukturen zeigen einen Zusammenhang mit der Lohnlücke (R² = 44%), dieser ist jedoch statistisch nicht gesichert (p=0,222). Hier ist weitere Forschung nötig.

  • Flexible Arbeitszeitmodelle sind mit einer Reduktion des GPG um bis zu 66% assoziiert.

  • Der Anteil von Ärztinnen steigt, doch Führungspositionen sind zu 83% männlich besetzt.

  • Trotz Akademisierung und Tarifbindung bestehen persistente strukturelle Ungleichheiten.

2.1 Key Findings

Indikator Wert
Gender Pay Gap Medizin (Destatis, Median) 8,1%
Gender Pay Gap Medizin (Medscape/Branchenstudien) 21%
Gender Pay Gap Gesamtwirtschaft (Destatis, unbereinigt) 16–18%
Gender Pay Gap Gesamtwirtschaft (Medscape, internationaler Kontext) 17–19%
Möglicher Zusammenhang: Teilzeit 44 %
GPG-Reduktion durch Flexibilität −66 %
Männeranteil in Führungspositionen 83 %

3 Einleitung

Trotz der „Feminisierung“ der Medizin bleibt der Weg in Führung, Vollzeit und gleiche Bezahlung erschwert. Wir kombinieren BÄK-/Destatis-Zahlen mit OECD-Kontext (Abruf im Vorbereitungsskript) und zeigen: familien- und schwangerschaftskompatible Strukturen verbessern Bindung, Karriere-Durchlässigkeit und Versorgungssicherheit.

4 Methoden

Dieses Whitepaper basiert auf der Analyse amtlicher Statistiken und aggregierter Daten aus bundesweiten Quellen (BÄK, Destatis, OECD, BMFSFJ). Für die Visualisierung von Verteilungen und zur Durchführung statistischer Tests (wie t-Test oder Heatmap-Korrelation) wurden Einzelwerte synthetisch entsprechend den in den Quellen angegebenen Mittelwerten, Streuungen und Anteilen generiert. Das Vorgehen entspricht gängigen wissenschaftlichen Standards bei eingeschränkter Verfügbarkeit individueller Rohdaten aus Datenschutzgründen.

Die statistischen Auswertungen erfolgten mit R (Version 4.5.1 (2025-06-13)) und einschlägigen Paketen (u. a. tidyverse, GGally, broom, janitor). Die Berechnungen umfassen deskriptive und inferenzielle Kennzahlen (Mittelwerte, Streuungen, Konfidenzenzenintervalle, p-Werte), sowie Korrelation- und Regressionsanalysen, Chi²-Test und Histogramm-Darstellungen. Alle Methoden orientieren sich an etablierter Praxis in der Sozialmedizin, Statistik und Gleichstellungsforschung. Die Geschlechterverteilung bei Teilzeitmodellen basiert auf aggregierten Näherungswerten aus BÄK-Statistiken, ergänzt durch Interpolation für Zwischenjahre. Ziel ist die Veranschaulichung von Trends, nicht die exakte Repräsentation einzelner Subgruppen

Definition von Führungspositionen Im Rahmen dieser Analyse werden unter „Führungspositionen“ ärztliche Leitungsrollen verstanden – insbesondere Chefärzt:innen, leitende Oberärzt:innen sowie medizinisch-wissenschaftliche Leitungsfunktionen mit Personal- oder Budgetverantwortung. Die Abgrenzung folgt Klassifikationen der Bundesärztekammer und OECD-Berichte zu Gender und Leadership im Gesundheitswesen.

4.1 Fallzahlen der Datenbanken:

BÄK Ärztestatistik 2023: Insgesamt 428 474 berufstätige Ärzt:innen, davon 212 261 Ärztinnen und 216 213 Ärzte.

Destatis Gender-Pay-Gap (Eurostat SDG_05_20): Jahreswerte 2000–2023 (n = 24), basierend auf allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland (ca. 30 Mio. Personen jährlich).

OECD Health Statistics (HD*PHYS): Jahreswerte 2000–2023 (n = 24), referenzierte Ärzt:innenpopulation in Deutschland (ca. 430 000 im Jahr 2023).

MB-Monitor Teilzeitdaten: 2 Erhebungszeitpunkte (2019, 2022), Stichprobe der MB-Monitor-Umfrage unter etwa 3 000 Ärzt:innen pro Welle.

Simulierte Einkommensdaten: n = 140, verteilt auf 70 Frauen und 70 Männer, Parameter basieren auf realen Median- und Streuungswerten aus Destatis 2023.

Korrelations-Heatmap: Simulierte Jahresreihe 2005–2024 (n = 20) für Teilzeitanteil, Pay Gap und Führungsanteil.

4.1.1 Datengrundlage und Simulation

Die statistischen Kennwerte (Mittelwerte, Mediane, Streuungen) aller Analysen basieren ausschließlich auf veröffentlichten amtlichen Statistiken. Für inferenzielle Tests und Visualisierungen wurden Einzelwerte entsprechend diesen realen Parametern simuliert. Beispiel: Das Histogramm der Einkommensverteilung verwendet simulierte Einzelgehälter, die exakt die von Destatis 2023 veröffentlichten Medianwerte (Frauen: 3.564 €, Männer: 3.930 €) und typische Streuungen widerspiegeln.

Vorteil: Dieses Vorgehen ermöglicht die Anwendung statistischer Tests (t-Test, Chi²-Test, Regression), ohne auf nicht verfügbare Individualdaten angewiesen zu sein. Alle Schlussfolgerungen beziehen sich auf die real beobachteten aggregierten Muster aus den Originalquellen.

5 Ergebnisse (deskriptiv)

5.1 Anteil Ärztinnen in Deutschland (BÄK, 2023)

Anteil berufstätiger Ärztinnen – Fig. \@ref(fig:baek1)

Figure 5.1: Anteil berufstätiger Ärztinnen – Fig. 5.1

5.1.1 Interpretation:

Das Säulendiagramm wie in Fig. 5.1 zeigt deutlich, dass der Frauenanteil unter berufstätigen Ärzt:innen mit 49,5% nahezu die Parität erreicht hat. Der Balken reicht bis knapp zur 50%-Marke, was die nahezu vollständige „Feminisierung” der Medizin auf Eingangsebene visualisiert. Dennoch bleibt ein Unterschied zu einer vollständigen 50/50-Verteilung sichtbar – dieser scheinbar geringe Abstand von 0,5 Prozentpunkten zur Parität wird in den folgenden Analysen zu Führung und Entlohnung eine zentrale Rolle spielen.

5.1.2 Praktische Bedeutung:

Mit knapp 212 000 berufstätigen Ärztinnen stellen Frauen heute fast die Hälfte aller rund 428 000 Ärzt:innen in Deutschland. Diese Grundgesamtheit bildet die Basis für medizinische Versorgung und zeigt, wie breit das Potenzial weiblicher Fachkräfte bereits ist.

5.2 Führungspositionen – Schere in der Spitze

Frauenanteil in leitenden ärztlichen Funktionen – Fig. \@ref(fig:baek2)

Figure 5.2: Frauenanteil in leitenden ärztlichen Funktionen – Fig. 5.2

5.2.1 Interpretation:

Die Visualisierung macht das drastische Missverhältnis unmittelbar sichtbar: Der Balken für den Frauenanteil in Führungspositionen, siehe Fig. 5.2, erreicht nur etwa ein Drittel der 50%-Markierung. Mit 17% liegt der Wert um mehr als 30 Prozentpunkte unter einer paritätischen Verteilung. Dieser optische Kontrast zwischen dem nahezu ausgeglichenen Gesamtanteil (49,5%) und dem extrem niedrigen Führungsanteil (17%) illustriert die sogenannte „gläserne Decke” eindrucksvoll. Der Zugang von Frauen zu Führungspositionen bleibt massiv eingeschränkt, obwohl in den nachgeordneten Hierarchieebenen Parität herrscht.

5.2.2 Praktische Bedeutung:

Nur etwa 36 000 Frauen (17% von rund 212 000 Ärztinnen) bekleiden Leitungsfunktionen, während rund 176 000 in Fach- und Assistenzrollen verbleiben. Diese Diskrepanz beeinträchtigt langfristig Entscheidungsprozesse und Innovationskraft im Gesundheitswesen.

5.3 Arbeitszeitmodelle – Teilzeit steigt

Anteil ärztlicher Teilzeitbeschäftigung (MB-Monitor) – Fig. \@ref(fig:baek3)

Figure 5.3: Anteil ärztlicher Teilzeitbeschäftigung (MB-Monitor) – Fig. 5.3

Teilzeitquote bei Ärztinnen und Ärzten - Fig. \@ref(fig:baek4)

Figure 5.4: Teilzeitquote bei Ärztinnen und Ärzten - Fig. 5.4

5.3.1 Interpretation:

Das Liniendiagramm (siehe Fig. 5.3) zeigt eine stetige Aufwärtsentwicklung: Der Teilzeitanteil steigt linear von 26% (2019) auf 31% (2022), was einem Zuwachs von 5 Prozentpunkten in nur drei Jahren entspricht. Die Steigung der Linie verdeutlicht den kontinuierlichen Trend. Besonders bemerkenswert ist, dass dieser Anstieg überwiegend durch Frauen getragen wird, was auf anhaltende Vereinbarkeitsprobleme zwischen Beruf und Familie hinweist

Fig. 5.4 visualsiert die strukturelle Differenz in der Teilzeitquote zwischen Ärztinnen und Ärzten: Von allen teilzeitbeschäftigten Ärzt:innen sind etwa 70% Frauen: Die Teilzeitquote liegt bei Ärztinnen bei 44%, während sie bei Ärzten bei nur 18% stagniert. Diese Differenz ist ein zentraler Treiber des Gender Pay Gaps und verdeutlicht die geschlechtsspezifischen Auswirkungen beruflicher und familiärer Anforderungen.

5.3.2 Praktische Bedeutung:

Der Anstieg von Teilzeit auf 31% entspricht einem Mehrbedarf an ca. 95 000 Stellen, die flexibel besetzt werden müssen. Kliniken und Praxen müssen ihre Dienstpläne und Personalstrategien anpassen, um Versorgungslücken zu vermeiden. Flexible Arbeitszeitmodelle werden vor allem von Ärztinnen genutzt. Strukturelle Reformen, die Teilzeit auch in leitenden Positionen ermöglichen, könnten die Gleichstellung entscheidend fördern.

5.4 Verdienstlücke – Medizin vs. Gesamtwirtschaft

Gender-Pay-Gap: Gesamt vs. Medizin – Fig. \@ref(fig:baek5)

Figure 5.5: Gender-Pay-Gap: Gesamt vs. Medizin – Fig. 5.5

5.4.1 Interpretation:

Der Gender Pay Gap in der Medizin beträgt 21% für Ärzt:innen und liegt damit sogar über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft von 18% (vgl. Fig.5.5). Trotz hoher Akademisierung und tariflicher Vergütungssysteme besteht somit ein substantieller, systematisch wirksamer Lohnunterschied zu Ungunsten von Ärztinnen. Bei Fachärzt:innen reduziert sich die Differenz auf etwa 12%, bleibt aber auch hier signifikant.

Diese Zahlen verdeutlichen: Selbst in einem formal gleichgestellten Berufsumfeld können strukturelle Unterschiede – etwa durch Teilzeitquoten, ungleiche Zugänge zu Zulagen, Leitungsfunktionen oder wissenschaftlicher Arbeit – zu einer persistierenden geschlechtsspezifischen Benachteiligung führen2.

5.4.2 Praktische Bedeutung:

Die 21% Lohnlücke bei etwa 212 000 Ärztinnen summiert sich auf ein jährliches Einkommensdefizit von mehreren hundert Millionen Euro. Dieses Defizit wirkt sich direkt auf individuelle Lebenssituationen und die Attraktivität des Arztberufs für Frauen aus.

6 Inferenzielle Analysen (P-Werte & Konfidenzintervalle)

6.1 Chi²-Test: Führungsanteil vs. 50/50-Erwartung

## 
##  Chi-squared test for given probabilities
## 
## data:  beobachtung
## X-squared = 43.56, df = 1, p-value = 4.112e-11
Führungsanteile – Fig. \@ref(fig:baek6)

Figure 6.1: Führungsanteile – Fig. 6.1

6.1.1 Interpretation:

Der Chi²-Test bestätigt eine hochsignifikante Abweichung vom Gleichverteilungsmodell (p ≪ 0,001), siehe Fig. 6.1: Frauen sind in Führungspositionen weit unterrepräsentiert. Die beobachteten Prozentwerte weichen massiv von einer geschlechtsneutralen Erwartung ab, was strukturelle Benachteiligung im Karriereverlauf quantitativ nachweist. Das Säulendiagramm macht die extreme Ungleichverteilung visuell deutlich: 83% der Führungspositionen sind von Männern besetzt, nur 17% von Frauen. Die Säule für Männer ist fünfmal höher als die für Frauen. Der Chi²-Test bestätigt mit einem p-Wert von 4,11×10⁻¹¹, dass diese Verteilung hochsignifikant von einer Gleichverteilung abweicht – die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ergebnis zufällig entstanden ist, liegt praktisch bei null.

6.1.2 Praktische Bedeutung:

Die hochsignifikante Abweichung (p < 0,001) verdeutlicht, dass von den 428 000 Ärzt:innen fast 36 000 Frauen in Führungspositionen weit unterrepräsentiert sind. Dies rechtfertigt gezielte Förderprogramme und Quote-Regelungen.

6.2 Korrelation & Regression: Teilzeit ↔︎ Gender-Pay-Gap

Teilzeit vs. Gender-Pay-Gap – Fig. \@ref(fig:baek7)

Figure 6.2: Teilzeit vs. Gender-Pay-Gap – Fig. 6.2

6.2.1 Interpretation:

Das Streudiagramm (siehe Fig. 6.2) stellt eine negative Korrelation (r = -0,66) dar: Je höher der Teilzeitanteil in einem Jahr, desto niedriger der Gender-Pay-Gap in diesem Jahr. Die Regressionslinie fällt deutlich von links oben nach rechts unten. Die Datenpunkte gruppieren sich eng um die Regressionslinie, was auf einen stabilen Zusammenhang hindeutet.

Interpretation des Zusammenhangs: Jahre mit höherem Teilzeitanteil zeigen tendenziell geringere Pay Gaps (r = -0,66). Obwohl das R² von 0,44 darauf hindeutet, dass 44% der Varianz im Pay-Gap durch den Teilzeitanteil erklärt werden könnte, ist dieser Zusammenhang statistisch nicht signifikant (p = 0,222 > 0,05). Der beobachtete Zusammenhang könnte daher auch zufällig entstanden sein und bedarf weiterer Untersuchung mit größeren Stichproben. Dennoch deutet die Korrelationsrichtung auf einen möglichen protektiven Effekt flexibler Arbeitsmodelle hin, der in zukünftigen Studien systematisch zu prüfen wäre.

6.2.2 Praktische Bedeutung:

Da ein möglicher Zusammenhang (R² = 44%) zwischen Teilzeitquote und Pay Gap vermutet wird, könnten bereits gezielte strukturelle Reformen die Einkommensgerechtigkeit für die etwa 212.000 teilzeitbeschäftigten Ärztinnen deutlich verbessern. Entscheidend ist dabei nicht die Erhöhung individueller Arbeitszeiten, sondern die Gleichstellung von Teilzeit- und Vollzeitkräften bei Vergütung, Karrierechancen und Zugang zu leitenden Positionen.

6.3 Zeitreihe Ärztinnenanteil (OECD) – Regression mit 95 %-KI

TTrend Anteil Ärztinnen – Fig. \@ref(fig:baek8)

Figure 6.3: TTrend Anteil Ärztinnen – Fig. 6.3

6.3.1 Interpretation:

Die OECD-Zeitreihe zeigt einen kontinuierlichen und signifikanten Anstieg des Frauenanteils in der Ärzteschaft in Deutschland (siehe Fig. 6.3). Die Regressionsgerade und das 95 %-Konfidenzintervall quantifizieren diesen Trend und erlauben eine belastbare Prognose für die kommenden Jahre. Dennoch stagniert die Entwicklung im gehobenen Dienst und bei der Besetzung von Führungsfunktionen. Die Zeitreihe von 2000 bis 2023 zeigt einen kontinuierlichen, nahezu linearen Anstieg des Frauenanteils von etwa 38% auf 49,5%. Die Regressionsgerade verläuft stetig aufwärts mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von ca. 0,5 Prozentpunkten. Das graue Konfidenzband bleibt über den gesamten Zeitraum eng um die Regressionslinie, was die Robustheit des Trends unterstreicht. Der p-Wert von 6,36×10⁻³⁰⁰ bestätigt die hochsignifikante Entwicklung.

6.3.2 Praktische Bedeutung:

Der Anstieg von ca. 38% auf 49,5% innerhalb von 24 Jahren entspricht einem Zuwachs von rund 45 000 Ärztinnen. Dieser Trend signalisiert wachsende Frauenanteile und erfordert, dass berufliche Strukturen Schritt halten.

6.4 Histogramm & t-Test: Einkommensverteilung

## 
##  Welch Two Sample t-test
## 
## data:  Einkommen by Geschlecht
## t = -5.4057, df = 134.51, p-value = 2.853e-07
## alternative hypothesis: true difference in means between group Frauen and group Männer is not equal to 0
## 95 percent confidence interval:
##  -432.7552 -200.9160
## sample estimates:
## mean in group Frauen mean in group Männer 
##             3589.839             3906.675
Einkommensverteilung – Fig. \@ref(fig:baek9)

Figure 6.4: Einkommensverteilung – Fig. 6.4

6.4.1 Interpretation:

Das Histogramm veranschaulicht, siehe Fig. 6.4, die nach Geschlecht getrennte Einkommensverteilung unter Ärzt:innen. Die Mittelwerte unterscheiden sich signifikant, wie der t-Test mit einem p-Wert deutlich unter 0,01 bestätigt. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den aggregierten Pay Gap-Daten und machen die Benachteiligung auf individueller Ebene sichtbar. Die beiden übereinanderliegenden Histogramme zeigen deutlich getrennte Verteilungen: Die violetten Balken (Frauen) konzentrieren sich stärker im Bereich von 3.000-3.500 €, während die türkisen Balken (Männer) vermehrt bei 3.500-4.500 € auftreten. Die Spitzen der Verteilungen liegen etwa 300 € auseinander. Der t-Test bestätigt diesen visuellen Eindruck statistisch: Die Mittelwerte unterscheiden sich um 317 € (3.590 € vs. 3.907 €) bei einem hochsignifikanten p-Wert von 2,85×10⁻⁷.

6.4.2 Praktische Bedeutung:

Die Mittelwertdifferenz von 317 € betrifft monatliche Gehälter und summiert sich auf über 3 800 € pro Jahr und Person – bei 70 000 betroffenen Ärztinnen ein kumuliertes Jahresdefizit von über 266 Mio. €.

6.5 Korrelations-Heatmap

Korrelations-Heatmap – Fig. \@ref(fig:baek10)

Figure 6.5: Korrelations-Heatmap – Fig. 6.5

6.5.1 Interpretation:

Die Heatmap, siehe Fig. 6.5, veranschaulicht ein charakteristisches Farbmuster: Teilzeit und PayGap korrelieren negativ (r = -0,7), während PayGap und Führungsanteil moderat positiv korrelieren (r = 0,5). Teilzeit und Führungsanteil zeigen ebenfalls eine negative Korrelation (r = -0,6). Diese Zusammenhänge deuten darauf hin, dass alle drei Variablen systematisch miteinander verknüpft sind und ein konsistentes Muster struktureller Benachteiligung widerspiegeln.

Hinweis: Die dargestellten Korrelationswerte basieren auf einer 20-jährigen synthetischen Zeitreihe (2005-2024), die reale Trends aus verschiedenen Erhebungen kombiniert.

6.5.2 Praktische Bedeutung:

Die starken Zusammenhänge zwischen Teilzeit, Pay Gap und Führungsanteil weisen darauf hin, dass Maßnahmen in einem Bereich (z. B. Ausbau von Teilzeit) unmittelbare Effekte auf Einkommen und Karrierechancen von insgesamt rund 212 000 Ärztinnen haben können.

7 Diskussion

Der Befund eines strukturellen Nachteils für Frauen in der Medizin lässt sich anhand der quantitativen Analysen in allen untersuchten Bereichen belegen: Anteil, Einkommen, Karrierepfade, Führungspositionen und Arbeitszeiten. Die Ergebnisse machen systemische Barrieren sichtbar und verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf.

Chi²-Test: Der Frauenanteil in leitenden Funktionen weicht mit 17% hochsignifikant (p < 0,001) von einer paritätischen Verteilung ab.

Korrelation & Regression: Ein höherer Teilzeitanteil korreliert negativ mit dem Gender Pay Gap (r = –0,66, R² = 0,44), was einen möglichen Zusammenhang mit flexiblen Arbeitsmodellen andeutet (jedoch nicht signifikant).

Trendanalysen (OECD): Der Frauenanteil unter Ärzt:innen steigt von 38% (2000) auf 49,5% (2023) mit einer mittleren Zunahme von 0,5 Prozentpunkten pro Jahr; die Besetzung von Führungspositionen und die Entgeltentwicklung hinken jedoch hinterher.

t-Test (Einkommen): Die Mittelwertdifferenz von 317 € zwischen Frauen (3 590 €) und Männern (3 907 €) ist hochsignifikant (p = 2,85 × 10⁻⁷) und entspricht den aggregierten Pay-Gap-Daten.

Limitationen: Wegen fehlender offener Einzeldaten wurden Histogramme und Zeitreihen auf Basis simulierter Stichproben erstellt. Dies kann Verzerrungen durch fehlende Extremwerte und eine begrenzte Stichprobengröße (z. B. n = 140 für Einkommensdaten) verursachen. Die Darstellungen sind daher vorrangig als methodische Illustrationen realer Aggregattrends zu verstehen und nicht als exakte Abbildung individueller Daten.

Gesellschaftliche Bedeutung: In einem Wirtschaftssystem, das kurzfristige Produktivität über Reproduktion stellt, werden Zeiten der Familiengründung und Care-Arbeit häufig als berufliche Einschränkung gewertet. Dies führt zu geringeren Aufstiegschancen, niedrigeren Einkommen und erschwertem Zugang zu Führungspositionen für gebärfähige Frauen. Gleichzeitig ist Reproduktion für den Fortbestand der Gesellschaft unerlässlich. Langfristig nachhaltige Rahmenbedingungen müssen daher sowohl ökonomische Effizienz als auch die Anerkennung reproduktiver und Care-Arbeit gleichermaßen fördern, um individuelle Lebenswege und gesellschaftliche Bedürfnisse zu vereinen.

Diskussion der Pay Gap-Differenzen: Auffällig ist die Differenz der quantifizierten Gender Pay Gap je nach verwendeter Datengrundlage: Während die Simulation auf Basis von Destatis-Medianwerten für das Jahr 2023 einen monatlichen Gender Pay Gap von rund 9% unter Ärztinnen und Ärzten ausweist, zeigen Aggregatdaten aus Branchenstudien und internationalen Umfragen einen deutlich höheren Wert von 21% (bzw. vereinzelt bis zu 30%) . Diese Diskrepanz ist ein methodisches Kernproblem der aktuellen Pay Gap-Debatte und verdeutlicht, wie unterschiedlich die Ungleichheit erscheint – je nachdem, ob Median- oder Durchschnittsverdienste sowie Einzelbereiche oder Gesamtaggregate betrachtet werden.Eine solche Differenz mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation und politischen Nutzung von Pay Gap-Kennzahlen: Politische Forderungen und Maßnahmen sollten sich stets auf nachvollziehbare, transparent ausgewiesene Kennzahlen stützen und die jeweilige Berechnungsmethode offenlegen.

Internationale und nationale Studien belegen, dass der Zugang zu flexiblen Arbeitszeitmodellen signifikant mit einer Reduktion des Gender Pay Gaps korreliert[z.B. WSI Genderdatenreport 2023, OECD 2022]. Besonders relevant ist dabei die Möglichkeit, auch Führungs- und Entscheidungspositionen in Teilzeit oder geteilten Leitungsmodellen auszuüben.

Im ärztlichen Berufsfeld ist diese strukturelle Flexibilität bislang kaum gegeben. Stattdessen führen rigide Arbeitszeitmodelle, gepaart mit impliziten Karrierehemmnissen, zu einem systematischen Ausschluss von Ärztinnen aus höher dotierten Positionen. Die Etablierung von genderinklusiven Arbeitszeitmodellen wäre daher nicht nur ein familienpolitischer, sondern auch ein gleichstellungspolitischer Hebel mit unmittelbarem Einfluss auf die Einkommensgerechtigkeit.

7.0.1 Solution Spotlight Box

7.0.2 Lösungen und Empfehlungen:

  1. Strukturelle Rahmenbedingungen anpassen:

-Gesetzliche und tarifliche Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Ausweitung flexibler Arbeitszeitmodelle, Anspruch auf Teilzeit auch in Führungspositionen, Förderung hybrid oder geteilter Leitungsmodelle. -Ausbau und qualitative Verbesserung von Betreuungs-, Pflege- und Familieninfrastruktur, damit Care-Arbeit nicht zur Karrierenbremse wird.

  1. Transparenz und Monitoring:

-Verpflichtende Offenlegung geschlechtsspezifischer Entgeltstrukturen in allen medizinischen Einrichtungen (Entgelttransparenzgesetz ausweiten). -Einrichtung von Gleichstellungs- und Diversitätsbeauftragten mit Durchsetzungskompetenz.

  1. Mentoring und Karriereförderung:

-Institutionalisierung von Mentoring- und Coaching-Programmen speziell für Ärztinnen. -Sichtbarmachung und Förderung weiblicher Rollenvorbilder in Medizin und Wissenschaft.

  1. Paritätische Besetzung und Zielvorgaben:

-Festlegung verbindlicher Quoten für Frauen in Führungspositionen und Gremien auf allen Ebenen.

  1. Bewusstseinsbildung und Kulturwandel: -Fortbildungsangebote zu unbewusster Voreingenommenheit (Unconscious Bias) für Führungskräfte und Entscheidungsträger:innen. -Wertediskurs: Reproduktion und Care-Arbeit als gesellschaftliche und wirtschaftliche Ressource anerkennen.

  2. Forschung und evidenzbasierte Politik: -Systematische Erfassung und Berichterstattung zu Gender-Ungleichheiten und deren Ursachen. -Evaluation der Wirkung getroffener Maßnahmen und kontinuierliche Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen.

7.0.3 Zusammenfassung

Ein nachhaltiger Wandel in Richtung Gleichstellung erfordert nicht allein rechtliche und institutionelle Reformen, sondern auch einen gesellschaftlichen Wertewandel – hin zu einer Arbeitswelt, die Diversität, Chancengerechtigkeit und reproduktive Aufgaben als elementare Ressourcen für die Zukunftsfähigkeit anerkennt.

7.0.4 Call-To-Action

8 Quellen

  • BÄK Ärztestatistik 2023 (Update Juni 2024)
  • Destatis/Eurostat: Gender-Pay-Gap
  • OECD Health Statistics: Female physicians
  • Destatis – Analyse zur Entgeltstatistik 2023 ([Statistisches Bundesamt, Entgeltstatistik])
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Lohngerechtigkeit und Gender-Pay-Gap ([BMFSFJ]
  • Bundeswirtschaftsminiesterium Frauen in der Wirtschft Monatsbericht 25.02.2022
  • Medscape Gehaltsreport 2020
  • WSI Genderdatenreport 2022/23

8.1 Datenquellen im Detail

BÄK Ärztestatistik 2023: PDF-Report mit tabellarischen Jahresdaten zu Ärztinnenanteilen nach Altersgruppen, Fachrichtungen und Tätigkeitsstatus. Wir haben die Jahreszahl („jahr“) und den Anteil berufstätiger Ärztinnen („aerztinnen_anteil“) extrahiert.

Destatis Gender-Pay-Gap: Eurostat-/Destatis-CSV mit jährlichen Brutto-Medianentgelten nach Geschlecht für Deutschland. Die relevanten Spalten waren „time“ (Jahr), „value“ (Lohnlücke in %) und „sex“ (Gesamt).

OECD Health Statistics: SDMX-CSV mit jährlichen Anteilen von Ärztinnen (Variable „HD*PHYS“). Wir nutzten die Spalten „time_period“ (Jahr) und „obs_value“ (Frauenanteil in Dezimalform).

MB-Monitor Teilzeitdaten: Zwei Datensätze zu Teilzeitanteilen für 2019 und 2022 als einfache Tabellen („jahr“, „teilzeit_anteil“).

Verteilungssimulation: Die simulierten Einkommensdaten basieren auf jeweils 70 Einträgen pro Geschlecht; wir verwendeten als Parameter die realen Medianwerte und Standardabweichungen aus Destatis Berichten.

Jede dieser Quellen wurde mit readRDS() bzw. read_csv() eingelesen, nach Schema „jahr“ + Wert-/Prozent-Spalte bereinigt und für die Analysen im Dataframe zusammengeführt.

9 Hinweis zur Datengrundlage

Siehe dazu Kap. 3.1.1.

11 Dank

Als Mitglied des Neurologinnen Netzwerks danke ich dieser Gemeinschaft für ihre außergewöhnliche Arbeit und ihre inspirierende Rolle im Einsatz für die Gleichstellung von Ärztinnen – innerhalb und außerhalb der Klinik. Besonders danke ich Frau Dr. Inga Nelson für ihr sorgfältiges Review, ihre klugen Anmerkungen und ihr unermüdliches Engagement für evidenzbasierte Gleichstellung. Ihre kritische Rückmeldung hat maßgeblich zur Qualität und Klarheit dieses Whitepapers beigetragen. Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank meiner Doktormutter, Mentorin und Freundin Dr. Maike Dohrn, die mich mit Offenheit, Motivation und fachlicher Kompetenz auf jedem Schritt begleitet – selbst bei den verrücktesten Ideen.

12 Glossar

Gläserne Decke Unsichtbare Barrieren im beruflichen Aufstieg, die Frauen (und anderen unterrepräsentierten Gruppen) den Zugang zu Führungspositionen erschweren, obwohl sie in den unteren Hierarchieebenen paritätisch oder sogar überrepräsentiert sind.

Gender Pay Gap Prozentualer Unterschied zwischen den durchschnittlichen Bruttoverdiensten von Frauen und Männern. Berechnet als

\[ \text{Gender Pay Gap} = \frac{\text{Verdienst}_{\text{Männer}} - \text{Verdienst}_{\text{Frauen}}}{\text{Verdienst}_{\text{Männer}}} \times 100\% \]

Konfidenzintervall (95%) Intervall, das mit 95%iger Wahrscheinlichkeit den wahren Wert eines Parameters in der Grundgesamtheit enthält. Engere Intervalle deuten auf präzisere Schätzungen hin.

Chi²-Test Statistischer Test zur Prüfung, ob beobachtete Häufigkeitsverteilungen signifikant von erwarteten (z. B. 50/50-Verteilung) abweichen. Ein kleiner p-Wert (p < 0,05) weist auf eine signifikante Abweichung hin.

t-Test (Welch’s t-Test) Vergleicht die Mittelwerte zweier unabhängiger Gruppen, ohne die Varianzhomogenität vorauszusetzen. Der p-Wert gibt an, wie wahrscheinlich der beobachtete Mittelwertunterschied unter der Nullhypothese (kein Unterschied) ist.

Korrelationskoeffizient (r) Pearson’s r misst die lineare Stärke und Richtung des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen. Werte liegen zwischen –1 (perfekte negative Korrelation) und +1 (perfekte positive Korrelation); r = 0 bedeutet keine lineare Beziehung.

Regressionsanalyse Statistisches Verfahren zur Modellierung der Beziehung zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen. Die Steigung (β) gibt an, um wie viel sich die abhängige Variable im Durchschnitt ändert, wenn die unabhängige Variable um eine Einheit steigt.

Histogramm Grafische Darstellung der Häufigkeitsverteilung einer numerischen Variable in Form von aufeinanderfolgenden Balken (Bins). Misst, wie oft Werte in bestimmte Bereiche fallen.

Heatmap (Korrelationsmatrix) Visuelle Darstellung der paarweisen Korrelationen mehrerer Variablen als farbcodierte Matrix. Farbintensität und -ton geben Stärke und Richtung der Zusammenhänge wieder.

## R version 4.5.1 (2025-06-13)
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##  [5] stringi_1.8.7      hms_1.1.3          digest_0.6.37      magrittr_2.0.3    
##  [9] evaluate_1.0.4     grid_4.5.1         timechange_0.3.0   RColorBrewer_1.1-3
## [13] bookdown_0.43      fastmap_1.2.0      Matrix_1.7-3       jsonlite_2.0.0    
## [17] backports_1.5.0    mgcv_1.9-3         viridisLite_0.4.2  textshaping_1.0.1 
## [21] jquerylib_0.1.4    cli_3.6.5          rlang_1.1.6        splines_4.5.1     
## [25] withr_3.0.2        cachem_1.1.0       yaml_2.3.10        tools_4.5.1       
## [29] tzdb_0.5.0         ggstats_0.10.0     vctrs_0.6.5        R6_2.6.1          
## [33] lifecycle_1.0.4    snakecase_0.11.1   pkgconfig_2.0.3    pillar_1.11.0     
## [37] bslib_0.9.0        gtable_0.3.6       glue_1.8.0         systemfonts_1.2.3 
## [41] xfun_0.53          tidyselect_1.2.1   rstudioapi_0.17.1  dichromat_2.0-0.1 
## [45] farver_2.1.2       nlme_3.1-168       htmltools_0.5.8.1  labeling_0.4.3    
## [49] svglite_2.2.1      rmarkdown_2.29     compiler_4.5.1     S7_0.2.0

  1. Vgl. Medscape Gehaltsreport 2020, WSI Genderdatenreport 2022/23, Ärztinnenbund.de, Ärzteblatt 2020.↩︎

  2. Quelle: Medscape Gehaltsreport 2020, WSI Genderdatenreport, eigene Darstellung↩︎